Die Weiblichkeit der Care-Arbeit: Wahrnehmung, Realität und Wandel

15.03.2025, Franziska Büschelberger.

Warum wir sichtbare Männer brauchen

Care Arbeit wird als weiblich wahrgenommen und das trägt maßgeblich zu strukturellen Ungleichheiten bei - Private Sorge- und Pflegeverantwortung ist die Basis der sozialen Verantwortung und Grundvoraussetzung für die Erarbeitung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Werte. Sie darf nicht länger zu Lasten der Frauen getragen werden, sondern gehört in die Gesamtverantwortung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Um dies zu erreichen brauchen wir Männer, die Frauen in Sachen Sichtbarkeit und Anerkennung NICHT den Vortritt lassen!

Das erfährst du in diesem Beitrag:

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Für wen ist der Artikel interessant?

Dieser Artikel richtet sich an alle Männer, die Sorge- und Pflegeverantwortung im privaten und ehrenamtlichen Bereich tragen aber auch an alle Frauen, an die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Durch einen neuen Blick auf die Wahrnehmung von Care Arbeit, soll eine Bewusstseinsveränderung angestoßen und gefördert werden.

Fakten zur unbezahlten Sorgearbeit in Deutschland

Jährlich leisten Frauen und Männer über 18 Jahre, insgesamt 117 Milliarden Stunden unbezahlter Sorgearbeit. Von diesen Stunden tragen Frauen allein 72 Milliarden. Zum Vergleich: Das gesamte Arbeitsvolumen der deutschen Volkswirtschaft – also alle geleisteten Erwerbsstunden – beträgt jährlich 61 Milliarden Stunden. Frauen leisten somit allein durch unbezahlte Sorgearbeit mehr Stunden als das gesamte Erwerbsvolumen der Volkswirtschaft.

53 % aller erwerbstätigen Frauen können mit ihrem Einkommen ihre Existenz nicht über den gesamten Lebensverlauf absichern. 70 % der erwerbstätigen Mütter verdienen nicht genug, um langfristig für sich und ein Kind vorzusorgen.

Quelle: Prognos, 28. Februar 2024

Jede fünfte Frau ab 65 Jahren ist von Altersarmut betroffen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands betrug im Jahr 2021 3,6 Billionen Euro. Wären Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen durchschnittlich entlohnt worden, hätte 2021 dies einen Wert von 1,2 Billionen Euro gehabt. Das zeigt die immense wirtschaftliche Bedeutung unbezahlter Care-Arbeit, die in der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung jedoch unsichtbar bleibt.
Quellen: Prognos, 28. Februar 2024; Was verdient die Frau? 28. Februar 2024

Diese wirtschaftlichen Nachteile der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit sind keine individuelle Entscheidungen. Es handelt sich hierbei um strukturelle Rahmenbedingungen, die Frauen in wirtschaftliche Abhängigkeit drängen.


Warum Frauen mehr Care-Arbeit übernehmen

Frauen sind aufgrund gesellschaftlicher Normen und strukturellen Ungleichheiten oft gezwungen sich in diese Rolle drängen zu lassen. Faktoren wie traditionelle Geschlechterrollen, finanzielle Anreize und fehlende Unterstützungssysteme verstärken diese ungleiche Verteilung.

Viele Frauen fühlen sich zudem nicht gesehen und glauben daher, dass sie und ihre Leistung nichts wert sind. Sie unterschätzen sich selbst und vertreten weniger selbstbewusst ihren Anspruch und Wert. Hier eine beispielhafte Auflistung der Gründe, warum Frauen u.a. vermehrt Care Arbeit übernehmen:

  • traditionelle Geschlechterrollen und Prägungen
  • Erwartung und gesellschaftlicher Druck
  • Entscheidungen im Sorge- und Umgangsrecht
  • fehlende Gleichstellung in der Erwerbsarbeit
  • Steuerliche Anreize (Ehegattensplitting)
  • fehlende externe Unterstützungssysteme
  • fehlende Gleichstellung in Partnerschaften
  • mangelnde berufliche Flexibilität
  • geringeres Einkommen
  • zu wenig männliche Vorbilder
  • Stigmatisierung von Care-Vätern
  • mangelnde Betreuungsangebote
  • fehlende Anreize für Gleichverteilung

Die Gründe, warum Frauen vermehrt Care Arbeit übernehmen liegen nicht an den Männern, sondern am System und an traditionellen Geschlechterrollen und Prägungen, die wir alle in uns tragen!


Die Gaps der Geschlechter

Die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit hat für Frauen Folgen, die sich sowohl in wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Nachteilen, als auch in ihrer Autonomie auswirken. Frauen erfahren aufgrund ihrer Sorge- und Pflegeverantwortung nicht nur Einkommens- und Karrierenachteile durch Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrechungen, sondern sind auch in der Politik und in Führungs- und Vorstandsebenen deutlich unterrepräsentiert. Sie haben erschwerten Zugang zu finanziellen Ressourcen, wirtschaftlicher Teilhabe und erfahren Unsicherheit und Altersarmut.

Neben diesen ökonomischen Nachteilen führt die hohe Verantwortung für Sorgearbeit zu einer deutlichen Einschränkung der Zeit für Selbstfürsorge und Freizeit. Gleichzeitig schultern Frauen eine überproportionale mentale Last durch ständige Planungs- und Organisationsarbeit und sind zudem einem erhöhten Risiko für Gewalt und Missbrauch ausgesetzt.

Folgend werden die wichtigsten Unterschiede zwischen den Geschlechtern (Gender Gap) aufgelistet:

  • Career Gap: Nachteile in der Karriere aufgrund von Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrechungen
  • Pay Gap: Lohnunterschiede und steuerliche Benachteiligungen
  • Leadership Gap: Unterrepräsentation in Führungspositionen
  • Venture Capital Gap: schwieriger Finanzierunszugang für Gründerinnen
  • Pension Gap: geringerer Erhalt von Rentenauszahlungen im Alter
  • Self-Care Gap: weniger Zeit für Selbstfürsorge
  • Leisure Gap: weniger selbstbestimmte Zeit
  • Care Gap: höhere Übernahme von Sorge- und Pflegearbeit
  • Mental Load Gap: permanente Verantwortung und Denkarbeit
  • Violence Gap: höheres Risiko für Gewalt und Missbrauch

Warum Care-Arbeit nicht weiblich ist

Es gibt 49,34 % Männer und 50,66 % Frauen in Deutschland.
Quelle: Statistisches Bundesamt, 31.03.2024

Jeder Mensch, dieser 100 % Bevölkerung, ist viele Jahre seines Lebens carbedürftig. Pflege- und Sorgeverantwortung steht am Beginn eines jeden Lebens und sichert die Arbeits und Wirtschaftskraft unserer Gesellschaft.

Bereits während einer Schwangerschaft tragen Mütter Sorge und Pflege für ihr ungeborenes Kind. Bis zur Volljährigkeit dieses Kindes tragen Väter, Mütter und andere sorgeberechtigte Menschen weitere 18 Jahre Sorge- und Pflegeverantwortung für die Entwicklung einer zukünftigen Arbeitskraft. Diese mindestens 18-jährige Sorge und Pflege kommt laut Gesetzt jedem Menschen unserer Gesellschaft zuteil.

Eltern und Pflegende sind die Leistungstragenden unserer Wirtschaft.

Es wird kaum einen Menschen geben, der vom Eintritt in die Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt in die Rente keine Sorge und Pflege benötigt. Nach Erkrankungen und Unfällen bedarf es einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, sowie Vorsorge und Rehabilitation.

Ohne Sorge und Pflege kann die Menschheit nicht existieren. Care ist nicht weiblich. Care ist menschlich.

Sorge- und Pflegeverantwortung ist die Basis der sozialen Verantwortung und Grundvoraussetzung für die Erarbeitung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Werte. Care-arbeitende Menschen sind die wirklichen Leistungstragenden unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft.


Warum wir sichtbare Männer brauchen

Familie, Kinder, Bildung und Pflege werden getrennt von Wirtschaft und Erwerb gesehen und Menschen - überwiegend Frauen - reiben sich an beiden Verpflichtungen auf. Sie müssen sich im wahrsten Sinne des Wortes zweiteilen um beiden Seiten zur Verfügung zu stehen.

Auf der einen Seite fühlen sich Frauen unsichtbar in ihrer familiär getragenen Leistung und auf der andere Seite weiß wirklich jeder, dass Frauen Care Arbeit leisten. Care wird als weiblich wahrgenommen und obwohl es menschlich ist.

Um die Wahrnehmung von Care-Arbeit zu verändern, braucht es Männer, die ihre Verantwortung in diesem Bereich offen zeigen und darüber sprechen. Solange Männer und Väter ihre unbezahlte Care-Arbeit unsichtbar verrichten, bleibt das Bild bestehen, dass Sorge- und Pflegearbeit etwas ist, das Männer nicht tun.

Beginnen Männer damit, diese Aufgaben aktiv zu entweiblichen, wird wahrgenommen, dass Care etwas ist, dass auch Männer tun. Die gesellschaftliche Wahrnehmung kann sich ändern und Care-Arbeit wird nicht länger als rein weibliche Aufgabe betrachtet, sondern als eine gesellschaftliche Verantwortung, die von allen – Männern und Frauen gleichermaßen – getragen wird.

Wird Care-Arbeit als etwas wahrgenommen, dass uns alle etwas angeht - weil (ca.) 50 % Männer plus 50 % Frauen gleich 100 % Bevölkerung sind - dann kann Care-Arbeit als Pfeiler unserer Gesellschaft erkannt, anerkannt und wertgeschätzt werden.

Infolge dessen übernehmen nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Wirtschaft und Politik, ihren Teil der Verantwortung. Die Menschen der Gesellschaft können mit der Bildung und Pflege in der Mitte stehen, und Familie und Wirtschaft werden als sich-bedingender Kreislauf verstanden.


Unpaid Care Work: Arbeitgeberin u. Bildungseinrichtung unserer Gesellschaft

Dieses Unternehmen ist für alle da! Jeder Mensch unserer Gesellschaft kann die kostenfreie Möglichkeit nutzen und sich auf Unpaid Care Work berufen. Jeder Arbeitnehmende und jeder Mensch, der sich um eine Erwerbstätigkeit bewerben möchte, sollte seine Leistung aus Elternschaft, Pflegschaft und Ehrenamt in seinem Lebenslauf sichtbar machen.

Unpaid Care Work muss gesellschaftlich und wirtschaftlich als Bildungseinrichtung verstanden werden. Schon in der Antike galt die Familie als ein Ort des informellen Lernens. Kompetenzen entwickeln sich nicht nur durch strukturierte Lernprozesse im formalen Bildungswesen und während der Erwerbstätigkeit, sondern auch durch informelles Lernen innerhalb der familiären und ehrenamtlichen Verantwortung. Familie und Ehrenamt sind Orte an denen wir keine Ausbildung erhalten, sondern uns im Selbststudium und durch tägliches Lernen, über viele Jahre Kompetenzen aufbauen.

Siehe auch: Der unerkannte Bildungsweg: Elternschaft formt Kompetenzen

Veränderung beginnt immer bei uns selbst, im Kleinen. Unpaid Care Work bietet jedem einzelnen von uns die Möglichkeit selbst den Unterschied zu machen und zur kollektiven Sichtbarkeit und Wertschätzung beizutragen.

Noch nicht überzeugt? Dann schau dir gern die zusammenfassenden Slides an:

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